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Rezension: Maximen und Reflexionen (Gebundene Ausgabe)

Goethes "Maximen und Reflexionen" sind von geradezu beispielloser Gelassenheit gekennzeichnet. So tritt das bescheidene, nur zu oft dem Understatement zugeneigte und manchmal auch gerade wieder provozierende Genre in seiner manchmal programmatischen Unscheinbarkeit an der Stelle der vom so genannten hohen Stil bestimmten Formen der Unterweisung und die offenbar diskursive, jedoch in diesem Fall nicht erklärende und argumentierende Prosa an die Stelle des kunstvollen Epigramms. Genau in dem Maße, in dem diese Form gewonnen wird, löst sich der Aphorismus auch aus der didaktischen Tradition der Lehrprosa und des Katechismus.



Der Aphorismus mutet in sich geschlossen und sogar vollendet an, zumindest in einem formalen Sinne, selbst wenn seine jeweiligen Einzelstücke Glieder einer unsichtbaren und fortzuführenden Kette genannt werden können, Versuche Fremdes zu erfassen, Vorgegebenes aufzunehmen und zu verändern, Bekanntes antizipierend abzuschließen. Man sollte sich meines Erachtens darüber bewusst werden, dass im Aphorismus keine Resultate vorgelegt, sondern Einsichten vermittelt und Anstöße zum Stutzen und Weiterdenken, mehr noch : die Teilnahme an einem Denkprozess, welcher eigentlich Gesprächscharakter besitzt.



Die "Maximen und Reflexionen" sind aus verschiedenen Werken Goethes entnommen und diesen im Einzelnen erkennbar zugeordnet. Ich bin immer wieder überrascht von der Lebensklugheit dieses Mannes. Sie ist einzigartig.



In seiner 395. Reflexion sagt er: " Was Freunde mit und für und thun, ist auch ein Erlebtes; denn es stärkt und fördert unsere Persönlichkeit. Was Feinde gegen uns unternehmen, erleben wir nicht, wie erfahren`s nur, lehnen`s ab und schützen uns dagegen wie gegen Frost, Sturm und Regen und Schlossenwetter oder sonst äußere Übel, die zu erwarten sind." Kann man ihm da widersprechen?



Eine meiner Lieblingsreflexionen ist die Reflexion 847 "Mit jemand leben oder in jemand leben ist ein großer Unterschied. Es gibt Menschen, in denen man leben kann, ohne mit ihnen zu leben, und umgekehrt. Beides zu verbinden ist nur der reinsten Liebe und Freundschaft möglich." Wie wahr, deshalb auch ist nichts wertvoller im Leben als reine Liebe und Freundschaft.



Sehr wichtig erscheinen mir die Sentenzen 875 und 876.

"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zu Anerkennung führen. Dulden heisst beleidigen." "Die wahre Liberalität ist Anerkennung."



Goethe war ein guter Beobachter, dies kommt nicht zuletzt in nachstehendem Gedanken zum Ausdruck. " 917. Das Leben vieler Menschen besteht aus Klatschigkeit, Tägigkeiten, Intrigue zu momentaner Wirkung." Schade, dass dies so ist, nicht wahr? Gibt es nicht kreativere Möglichkeiten seine Lebenszeit auszufüllen?



Ich stimme Goethe ganz besonders in folgender Reflexion zu:

" 982. Der pedantische Purismus ist ein absurdes Ablehnen weiterer Ausbreitung des Sinnes und Geistes. (Z.B. das englische Wort grief)."



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