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Rezension: Lew Tolstoi-Keiner ist besser als der andere- Worte eines menschheitlichen Menschen

In Zeiten des Internets, wo man ungezählte Zitate von großen Denkern problemlos dort abrufen kann, wird der ein oder andere sich fragen, wozu noch ein weiteres Zitatebuch?

Im Falle des hier vorliegenden Werkes mit Gedanken von Lew Tolstoi wird dies recht schnell klar. Die Zitate sind oft weitaus umfangreicher als die Kurzzitate im Internet, die nicht selten für zeilenbegrenzte Tweets gedacht zu sein scheinen, um auf diese Weise die Zitate-Websites hochzupushen. Zitate boomen seit Jahren als Posts bei Twitter und Facebook und werden rasch von A nach B kopiert,  ganz bestimmt nicht um klüger zu erscheinen, sondern wohl eher, um ohne viel Aufwand an der großen Zitatepatchworkdecke mitzuarbeiten, die in bunten Farben  täglich mehr Gestalt annimmt.

Ich empfehle den Lesern bei diesem Buch mit Zitaten des russischen Schriftstellers Lew Nikolajewitsch Tolstoi (1828-1910) mit dem Nachwort zu beginnen. Verfasst hat es Anna Schloss, der Verlagslektorin und Herausgeberin diverser Lyrik- und Prosa- Anthologien. 

Wie sie schreibt, sei Tolstoi kein Schriftsteller für die höhere Gesellschaftsschicht, für die Elite oder für andere Schriftsteller, sondern vielmehr einer für das Volk. Ob das stimmt, möchte ich nicht beurteilen müssen. Anna Karenina fürs Volk?  H`m.

Für Tolstoi sollte jede Art von Kunst für alle Menschen verständlich sein. Die Aufgabe der Kunst war für ihn, das Gefühl, das der Künstler in sein Werk gelegt hatte, so zu anderen zu transportieren, dass der Funke bei diesen dann übersprang. Unzählige Schriftsteller ließen sich von Tolstoi beeinflussen. Für ihn soll Literatur eine Möglichkeit gewesen sein, seiner eigenen Seele auf den Grund zu gehen und zugleich ein Versuch, das Rätsel des Lebens zu lösen und sich selbst zu inszenieren. 

Es war Tolstois Fähigkeit die Dinge bis ins kleinste Detail kritisch zu durchleuchten, die ihn neben seiner unerbittlichen Ehrlichkeit und Direktheit zu einer einflussreichen moralischen Instanz seiner Zeit werden ließen. Tolstoi habe das ethische Bewusstsein der Menschen erweitert, indem er auf die Absurditäten in ihrem Handeln oder in den Organisationen ihres Zusammenlebens hinwies. Er forderte von allen, dafür Verantwortung zu übernehmen und mit der Veränderung bei sich anzufangen.

In jungen Jahren nahm er als Aristokrat am ausschweifenden Leben in St. Petersburg teil. Der Weg zu Selbstfindung veranlasste ihn, auf das elterliche Gut zurückzugehen, um dort Landreformen durchzuführen und eine Dorfschule zu gründen. Durch sein Leben auf dem Gut distanzierte er sich immer mehr von der etablierten Gesellschaft, verurteilte das Falsche, Ausbeuterische, Zerstörerische und Unmoralische der Gesellschaftsschicht, der er angehörte und schrieb Bücher, die seinen Ruhm als Schriftsteller sicherten. 

Aus Schriften aller Art von Tolstoi stammen die zitierten Textpassagen im Buch, die in unterschiedliche Themenbereiche untergliedert sind. Die Auswahl der Zitate stellt, so Anna Schoss, die geistige Entwicklung von Tolstoi dar, sind während seines gesamten Lebens entstanden und deshalb nicht absolut zu sehen.

Im Grunde könnte man zu jedem Zitat eine Kolumne schreiben. Warum nicht mit einem Zitat aus dem Roman #Anna_Karenina beginnen? Es lautet:

"Die Hauptaufgabe der Philosophie aller Zeiten besteht namentlich darin, jenes unumgänglich nötige Band zu finden, welches zwischen dem persönlichen und dem allgemeinen Interesse existiert."

Sehr empfehlenswert.

Helga König

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Keiner ist besser als der andere: Worte eines menschheitlichen Menschen (marixklassiker)

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