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Rezension: À la carte- Otto Jägersberg-Diogenes


Der heute 80 jährige Otto Jägersberg war 1964 der erste neuentdeckte deutsche Autor im noch jungen Diogenes Verlag. Seither arbeitet er als freier Autor und Filmemacher.  Otto Jägersberg lebt in Baden-Baden. 

Das vorliegende Buch enthält Denkanstöße. Apercus, Aphorismen, kleine Gedichte und Gedankenblitze, wie der Verlag hervorhebt „für jeden Tag“ von diesem Autor.

Damit Sie wissen, was Sie in diesem Buch erwartet, möchte ich nachstehenden Text (Seite 23) zitieren:

"Leben ist Lesen. Es bedarf ja nur des Ortes und des Augenblicks, dass ein Buch sein Auge aufschlägt und uns anblickt, magischer Moment einer unwiderstehlichen Anziehung, die aus dem Objekt der Begierde ein Lieblingsbuch entstehen lassen. Ähnlich geht es uns auch mit Lieblingsmenschen, Sekunden nur, Ort und Augenblick- und die Wahl ist getroffen. Und kann ein Leben dauern. Lieblingsbuch und Lieblingsmensch, man liest in beiden ein Leben lang."  Ich glaube, dieser Gedanke lässt sich nicht verallgemeinern, aber er zeigt, dass  Jägersberg einen bestimmten Blickwinkel auf die Dinge, die er liebt,  einnimmt.

Gefallen hat mir u.a. der Satz, der da lautet: "Wir haben die Welt immer nur verändert, es kommt aber darauf an, sie zu verstehen." Stimmt, je mehr wir sie verstehen, umso mehr begreifen wird, dass man sie nicht verändern sollte. Das gilt nicht nur für die Begradigung von Flüssen. 

Plötzlich entdeckt man während des Lesens auf einer Seite eine Sentenz von Sappho und rätselt, was dieser dort zu suchen hat: "Reichtum, fehlt ihm die rechte Art, unnütz bleibt er als Hausfreund." Reichtum an Gedanken ist meines Erachtens ein nützlicher  Hausfreund.

Wenig später dann liest man eine Sentenz von Hegel "Furcht zu irren ist schon ein Irrtum". Stimmt.

Gleich nach Hegel kommt ein Gedanke zur Rindswurst und ein anderer zum Pfefferbeiser, denn der denkende Mensch muss durchaus auch essen: "Nachdem ich einen Pfefferbeißer, drei halbe Salzkartoffeln und vier Zucchini-Scheiben mit Speck und Knoblauch gegessen hatte, fragte ich mich, was soll ich jetzt machen. Es fiel mir nichts Besonderes ein. Seitdem sitze ich hier am Schreibtisch und warte."

Vermutlich wartet Otto Jägersberg auf einen guten Gedanken, wie alle Autoren, wenn sie einen Text schreiben möchten, doch er weiß: "Der Gedanke hat sich in wenigen Worten zu bewähren. Ein guter Gedanke findet oft aus vielen Worten nicht mehr heraus." Deshalb muss  man eben ausharren, bis sich ein guter Gedanke meldet, vielleicht nach der dritten Rindswurst oder dem dritten Glas Wein.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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