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Rezension: Stufen- Aphorismen und Tagebuchnotizen- Christian Morgenstern- S.Marix Verlag



Der Dichter und Schriftsteller Christian Morgenstern (1871-1914) ist der Verfasser dieser klugen Texte, die einzelnen Kapiteln zugeordnet sind. Vorangestellt sind diesen, eine spannend zu lesende autobiographische Notiz. Dann folgen Betrachtungen zur Natur, Kunst, Literatur, Sprache, Zeitkritischem, Theater, Lebensweisheit-Ethisches, zu "In me ipsum", Erziehung-Selbsterziehung, Psychologischem und einigem Anderen mehr. 

Die Witwe des Dichters hat 1918 erstmals eine Sammlung von Christian Morgensterns Aphorismen und Tagebuchnotizen unter dem Titel "Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuchnotizen" herausgegeben. 1960 dann hat sie eine überarbeitete Version der "Stufen" um eine große Anzahl von Aphorismen ergänzt. Die vorliegende Auswahl folgt dabei weitgehend unverändert der Textgestalt der Ausgabe von 1960, erschienen bei R. Piper & Co Verlag, München.

Sehr spannend zu lesen sind Morgensterns Aphorismen zu Zeitkritischem, die seine Einstellung zum Wilhelminischen Zeitalter erkennbar machen. Für ihn war vor dem 1. Weltkrieg bereits klar: "Einen Krieg beginnen, heißt nichts weiter, als einen Knoten zerhauen, statt ihn aufzulösen."

Für diesen Schriftsteller heißen "die Eltern des Krieges" Schwachsinn und Trägheit. Wobei das Wesen des Schwachsinns für Morgenstern darin besteht, vor wirklichen Schwierigkeiten zu kapitulieren und das Wesen der Trägheit, im herangebrachten zu verharren. 

Christian Morgenstern analysiert genau die damalige Lage des mangelnden Geistes, der Krieger hervorbringt, deren Genie, wie er schreibt, im möglichst gefährlichen Zuhauen liege und der Kaufmann, der im Schatten des ihn schützenden Säbels seinem Vorteil nachgehe. Er geht in seinen Gedanken aber noch viel weiter und entlarvt den  Materialismus, der allem zugrunde liegt, als gemein im Zweck und in den Mitteln. Christian Morgenstern setzt auf Vergeistigung. Diese aber ist leider bis heute nicht eingetreten in unserer Gesellschaft, wie wir täglich feststellen dürfen. Vernunft bis auf Weiteres Fehlanzeige.

Es ist unmöglich, auf all die Sentenzen näher einzugehen. Eine seiner Lebensweisheiten allerdings möchte ich hier wiedergeben, weil sie vielleicht die essentiellste und für alle Zeiten gültige ist:

"Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen hineinhuschen kann."

Ach ja, "In me ipsum", für Nicht-Lateiner: "An mich".... Hier schreibt er "Niemand loslassen. Keine Beziehung fallen lassen!" Dieser Satz passt so gar nicht in unsere heutige Zeit und Bücherwelt, in der immerfort vom Loslassen die Rede ist und Beziehungen  deshalb stets beliebiger werden.

In dem Kapitel "In me ipsum" findet sich auch der Satz: "Je älter ich werde, desto mehr wird ein Wort mein Wort von allem! Grotesk" Ich denke, das geht vielen auch im Hier und Jetzt so, die achtsam sich und ihr Umfeld  hellwach  in Augenschein nehmen. 

Sehr empfehlenswert.

Helga König

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